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11. Systemisches Kaffeehaus in Linz: Das Andere. Über das Unbekannte, das Irrationale, das Heilige

Das Andere. Über das Unbekannte, das Irrationale, das Heilige. Besprechen und Beschwören in Alltag und Psychotherapie

Damit wäre einmal all das gemeint, was nicht durch das „Nadelöhr der Sprache“ will, soll, kann oder darf oder aber durch diese Passage eine besondere Bedeutung erhält. Üblicherweise ermöglicht Sprache Umgang, „Operation“, Reflexion…, aber mit dem Preis, der durch sie errichtet werden muss – Reduktion, Verallgemeinerung etc. –, kann sie nicht jeder Erfahrung gerecht werden oder stellt gar eine Gefahr dar.

Manchmal ist das dann gar nicht im Unvermögen der Sprache gelegen, sondern in ihren gar nicht beabsichtigten (Neben)Wirkungen. In vielen Teilen der Welt scheut man sich, das Böse namentlich auszusprechen, macht stattdessen eine (abwehrende, nicht bezeichnende) Handbewegung oder bedient sich eines Wortgebrauchs, der auf das Gegenteil Bezug nimmt (als Schutz sozusagen), „Gottseibeiuns“ wäre hier das gebräuchlichste Beispiel. Man will das Böse nicht beschwören.
Offensichtlich wird dabei darauf Bezug genommen, dass Sprache eben nie eine bloß kognitive Operation ist, sondern immer auch eine Einladung, einen nicht kausalen Zusammenhang mit körperlichen Mitvollzug darstellt (man denke an Lyrik oder den Liebesschwur). So absurd ist das also nicht, und kommt ja in moderater Version laufend in unserem Alltag vor: „Daran will ich nicht einmal denken…, sprich’s nicht aus…, verschrei es nicht…“ etc.

Auch den Tod können wir uns nicht vorstellen, was ebenfalls einen speziellen Umgang erfordert, der über die Sprache hinausgeht. Sprache ist ja immer nur ein reduzierter, ungefährer und flüchtiger Verweis auf jegliche Erfahrung, aber halt derjenige, der Mitteilung, „Operation“ und Rückverweis auf den „Nutzer“ gleichermaßen erlaubt.

„Ich bin Rapidler und das werde ich immer sein“, sagt mein siebzigjähriger Bekannter, „das ist versprochen, bei meinem Leben.“

„Versprechen“ hat eine gewaltige Doppelbedeutung in sich, die auf das Gegenteil des üblichen Sprachgebrauchs hinweist. Freud hat auf derlei in seinem schönen Aufsatz „Über den Gegensinn der Urworte“ (1910) schon hingezeigt.

Wenn wir damit sagen, dass Sprache nie bloß eine Bezeichnung ist, sondern immer eine Einladung zum Mitvollzug einer ganzen Person und zugleich, wie hier beschrieben, nie eindeutig ist, dann kann uns das an jene Phase im Leben des Kindes führen, in der magische Welterklärung von rationaler langsam konterkariert und vermeintlich abgelöst wird.
Als ich in der Volksschule war, wurde ich plötzlich (Mit)Inhaber gewaltiger Geheimnisse: Die Kinder bringt nicht der Storch, die Weihnachtsgeschenke nicht das Christkind und der Krampus ist in Wirklichkeit ein Mensch. Das letztere wollte ich meinen Eltern am Nikolaustag beweisen. Und dann, welch eine Niederlage der Ratio, angesichts der Maske war meine neue Gewissheit innerhalb von Augenblicken dahin. Schlimmer noch, als wir Kinder im Hochsommer im Keller eine alte Krampus-Maske finden, stellt sich derselbe Schauer wieder ein.

Heute habe ich zumindest eine Erklärung, die mich vielleicht eher tröstet, als erhellt: Die logische Phase der kindlichen Entwicklung löst die magische nicht ab, sie gesellt sich bloß dazu, womit wir zumindest zwei Erkenntnismöglichkeiten haben, je nach Kontext, wobei wir die Wahl dabei nicht immer haben.
Das stimmt zumindest mit meinen Alltagserfahrungen überein. Wenn mein Cousin über sein Auto spricht („Gestern hätte ich fast einen Verreiber gehabt!“) oder seine Gattin über ihr Horoskop, dann habe ich fast den Eindruck, dass die Sprache, die wir üblicherweise meinen, die Ausnahme ist, zumindest eine besondere Verfassung und Mühe braucht.
„Zustände“, wie Brigitte Lassnig das genannt hat, wären dann der Normalfall, die in besonderen Fällen der Abhilfe bedürfen. Wenn die reflektierte Sprache ein Spezialfall ist, was verbindet uns dann noch? Vielleicht die Ordnung, die wir den Dingen gegeben haben, sie wirkt immer, auf eigene Weise allerdings.

Was kann das alles für den „Spezialfall“ Psychotherapie heißen? Wie bringen wir das „Andere“, das „Gegenüber der Sprache“ ins Gespräch und auch zur Sprache? Und wie können und dürfen wir das auch (be)nützen oder tun wir das sowieso, ob wir wollen oder nicht? Das kann Mut erfordern oder zumindest Neugierde, macht es doch eine Erkundung an der Grenze des Vertrauten und in gewisser Hinsicht des Erlaubten unumgänglich.

Helmut de Waal


Referent*innen:

Helmut de Waal
Das Andere. Über das Unbekannte, das Irrationale, das Heilige. Besprechen und Beschwören in Alltag und Psychotherapie

Iris Seidler
Wenn es keine Worte gibt. Über das Unsagbare und mögliche Schnittmengen zwischen Erfahrung, Erinnerung und Sprache in der Psychotherapie

Werner Eder
Die Melodie der Begegnung: Stimme und Resonanz in der systemischen Psychotherapie

Denise Rigaud, Brigitte Lassnig
(Ver)schweigen – Verstummen – Stille – Annäherungen an das „Gegenüber“ der Sprache


Achtung, geänderter Veranstaltungsort: Bischofshof, Herrenstraße 19, 4021 Linz

Termin: Dienstag, 25. Februar 2025, von 9 – 16 Uhr

Teilnahmegebühr: € 54,- / € 30,- (Ermäßigung für Student*innen und Auszubildende der Fachspezifika und Propädeutika)
Rechnung wird per email zugeschickt.

Um Anmeldung wird ersucht: office@lasf.at

Flyer 11. SKH Linz

 

Weitere Termine

Datum

25. Februar 2025

Uhrzeit

9:00 - 16:00

Veranstaltungsort

Bischofshof
Herrenstraße 19, 4021 Linz

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